Sind Verpackungen aus Papier nachhaltiger als aus Plastik?
Mit dem anstehenden Klimawandel hat sich das Bewusstsein der Verbraucher zu nachhaltigem Leben geschärft. Analog hat der Umsatz mit Bio-Artikeln im deutschen Lebensmittelhandel in 2019 ein neues Rekordhoch erreicht und sich in den vergangenen 10 Jahren verdoppelt (Statista 2020).
Mit dem veränderten Verbraucher-Bewusstsein ist auch die Nachfrage nach Papierverpackungen gestiegen. Aus nachwachsenden Rohstoffen und biologisch abbaubar, gilt deren Verwendung in der Öffentlichkeit als nachhaltige Lösung. Zudem sorgt das negative Image von Plastik dafür, dass die Papiernachfrage weiter steigt.
Handel und Markenartikler reagieren auf solche Verbraucherwünsche und sind verstärkt auf der Suche nach neuen Papiermaterialien für Lebensmittelverpackungen. Aber sind die aktuellen Papierlösungen wirklich ökologisch sinnvoll, oder werden hier nur populär populistische Lösungen gesucht, die nichts anderes sind als Greenwashing?
Zum Argument der ökologischen Abbaubarkeit:
Papier und Karton sind als Lebensmittelverpackungen nur dann geeignet, wenn sie mit polymeren, synthetischen Kunststoffen kombiniert werden; z.B, indem Polyethylen auf Verpackungspapiere aufextrudiert/kaschiert wird, oder, wenn in die Verpackung aus Papier oder Karton ein Innenbeutel aus Kunststoff eingelegt wird. Nur dann besteht eine notwendige Barriere gegenüber Feuchtigkeit, Gasen, Dämpfen und Aromaverlust. Reines Papier besitzt diese Eigenschaften nicht! Auch und gerade bei Recycling-Papierverpackungen ist diese Barriere notwendig, um die Migration von Mineralöl oder anderen Schadstoffen zu verhindern.
Es existieren Ansätze mit anorganisch-organischen Hybridpolymeren, die beim Papierrecycling keine Probleme verursachen sollen und daher interessant werden können. Auch dünnschichtige Barrieren, die mit flüssigen Polymeren erreicht werden, können den Kunststoffeinsatz minimieren.
Aber eines ist klar: Ein wirkungsvoller Barriereschutz ist ohne Kunststoff zur Zeit noch nicht möglich, (Klaus Jahn, Vorstand IPV). Ein übliches Papier-Recycling ist damit nicht möglich. Die Lebensmittelverpackungen sehen nur „ökologisch“ aus!
Zum Argument nachwachsender Rohstoffe:
Der Vorteil nachwachsender Rohstoffe ist bei zunehmender Rohstoffverknappung und Rückgang an verfügbaren / endlichen Rohstoffvorkommen offensichtlich. Aber der wachsende, weltweite Papierbedarf frisst ganze Wälder auf! In Deutschland werden jährlich rund 9 Mio. Tonnen Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe hergestellt. 4,5 Mio. Tonnen davon sind für Lebensmittel vorgesehen. Laut Umweltbundesamt hat jeder Deutsche im Jahr 2010 drei Bäume für Papier, Pappe und Kartons verbraucht. Der stetig wachsende Papierverbrauch führt weltweit zur Abholzung und Artenschwund und hat sich zu einem der größten Umweltprobleme unserer Zeit entwickelt. Da hilft es auch nicht, die stark umweltbelastende Papierherstellung nach Skandinavien zu verlagern – dahin, wo der Verbraucher es nicht sieht.
Fazit: Ökologische Abbaubarkeit und nachwachsende Rohstoffe als pauschales Argument pro Papier-Lebensmittelverpackungen anzuführen, ist oberflächlich. Um bewerten zu können, welche Verpackung am besten ist, sind Produktökobilanzen notwendig, die sämtliche Umweltauswirkungen umfassend bilanzieren. Dazu gehört der gesamte Lebensweg eines Produktes, von der Wiege bis zur Bahre. Nicht nur die Herstellung des eigentlichen Produktes, sondern auch alle Hilfs- und Betriebsstoffe, alle Transporte, die Nutzungsphase und auch die Entsorgung und Wiederaufbereitung müssen betrachtet werden. Das ist sehr aufwändig und erfordert eine Vielzahl an oft vertraulichen Daten. Die Gewichtung und Bewertung ist schwierig und erfolgt häufig nach den Prioritäten der Auftraggeber. Hier muss man genau hinsehen – nur so werden die komplexen Zusammenhänge sichtbar. Und nur dann kann man Äpfel mit Äpfeln vergleichen bzw. Kunststoff-Lebensmittelverpackungen mit Papier-Kunststoff-Verbunden.
(Foto: de.freepik.com)
Nutzungsbedingungen
Abonnieren
Meine Kommentare