BIoplastik - Lösung oder Greenwashing

Die Rohöl-Reserven unserer Erde sind endlich, damit wird uns langfristig die Grundlage zur Erzeugung fossil basierter Kunststoff-Frischware fehlen. Zudem sorgt die weltweite Art der Abfallentsorgung dafür, dass zu wenig Material im Kreislauf geführt wird und dem Prozess erhalten bleibt. Diese Situation, bei weiter wachsender Weltbevölkerung, stellt unsere Wirtschaft vor immense Herausforderungen. Wir müssen nachhaltige Lösungen finden, welche die fossilen Ressourcen schonen bei gleichzeitig kreislauforientierter Nutzung der kostbaren Rohstoffe.

Aus diesen Gründen wird seit einigen Jahren verstärkt an Bio-Kunststoffen gearbeitet. Sie machen knapp ein Prozent der jährlich hergestellten Menge von rund 359 Mio. Tonnen Kunststoff aus, immerhin stetig wachsend. Verpackungen haben mit 53% in 2019 den größten Anteil, aber die Zahl der Märkte wächst stetig. Bio-Kunststoffe werden bereits in Elektronik, Automobil, Transportwesen oder Bauwesen etc., eingesetzt und die Anwendungen diversifizieren sich weiter (European Bioplastics, 2019).

Mit der Bioökonomie-Strategie 2020 wird es einen weiteren Schub geben. Das setzt eine kritische Auseinandersetzung mit Vor- und Nachteilen voraus und mir stellt sich die Frage: Ist dies wirklich ein adäquater Beitrag zum Umweltschutz, und wie passt das in unsere Kreislaufwirtschaft?

Zunächst eine Begriffsbestimmung:
Der Begriff Biokunststoffe oder auch Biopolymere wird sowohl für  „biobasierte“ als auch „biologisch abbaubare“ Kunststoffe verwendet.
Biobasiert nennen sich Rohstoffe, die teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen stammen.  Sie können sowohl biologisch abbaubar als auch nicht abbaubar sein.
Biologisch abbaubar bedeutet, dass sich ein Material nach einer festgeschriebenen Zeit unter definierten Bedingungen zu mehr als 90% zu Wasser, CO2 und Biomasse abgebaut haben muss. Auch Material aus fossilen Ressourcen kann biologisch abbaubar sein, es muss also nicht zwingend aus nachwachsenden Rohstoffen sein.
Bioabbaubar ist jedoch nicht mit kompostierbar gleichzusetzen. Kompostierbarkeit bezieht sich spezifisch auf die Gegebenheiten in einer Kompostieranlage, in der ein verbesserter biologischer Abbau unter kontrollierten Bedingungen erfolgt.

Systematik der Biokunststoffe:

Biobasierte, nicht biologisch abbaubare Kunststoffe :

Biobasierte, nicht biologisch abbaubare Kunststoffe machen 44,5% (1 Mio. Tonnen) aller Biokunststoffe aus. Es sind häufig Drop-In-Lösungen, die die gleiche Struktur wie Kunststoffe auf fossiler Basis haben.

Bio-PE, Bio-PET (Rohstoffquelle Zuckerrohr) und Bio-PA (Rohstoffquelle Rizinusöl) machen in dieser Gruppe mit über 30% den größten Anteil aus.
Die neueste Generation - Bio-PP - hat mit 0,9% noch einen geringen Anteil, weist aber die höchsten, relativen Wachstumsraten auf, da sie in einer Vielzahl von Sektoren eingesetzt wird. Ihre Produktionskapazitäten werden sich bis 2024 voraussichtlich fast vervierfachen (European Plastic, Market Data 2019). Bio-PP lässt sich aus diversen, biogenen Quellen durch chemische Transformation erzeugen. Es gibt Lösungen aus Pflanzenöl, Ethanol und Zucker. 
Der große Vorteil dieser Drop-In-Lösungen ist, dass sie in die bestehenden Recyclingströme der fossilbasierten Stoffe PE, PP und PET integriert werden können. Teure Investitionen in einen Stoffstromaufbau für Materialien, deren wirtschaftliche Menge noch lange nicht erreicht ist, entfallen.

Vorteil Co2-Fußabdruck und Schonung fossiler Ressourcen:
Ein weiterer Vorteil, den Marketingstrategen gerne für biobasierte Polymere herausstellen, ist der geringere CO2-Fußabdruck und die Schonung fossiler Ressourcen: Tatsächlich haben vergleichende Ökobilanzen das auch bewiesen. Der CO2- Fußabdruck ist geringer, und der Einsatz fossiler Rohstoffe wie Öl oder Kohle wird verringert.
Die Nutzung lokaler Ressourcen wirkt sich ebenfalls positiv auf die Emissionen aus. Allerdings steigt auf der anderen Seite z.B. auch das Eutrophierungspotential, also die unerwünschte Anhäufung von Nährstoffen in Böden und Gewässern, welche zur Vermehrung der Biomasse und letztlich zum „Umkippen von Gewässern“ durch Sauerstoffmangel, Fischsterben und Verlandung führen kann. 
Um einen tatsächlichen Umweltvorteil nachzuweisen, ist deshalb der gesamte Lebenszyklus (LZA), von der Wiege bis zur Bahre, zu berücksichtigen. Dazu bedarf es einer Datenerhebung über verbrauchte Stoffe, Emissionen, Abfälle, Recycling bzw. Abfallverwertungskonzepte.
Zu beachten ist weiterhin, inwieweit sich der Rohstoffbedarf auf die Landwirtschaft auswirkt. Eine Intensivierung der Landwirtschaft, inklusive höheren Verbrauchs an Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln, kann die Folge sein. Die Artenvielfalt kann beeinträchtigt werden. Es kann zur Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion kommen. Bislang ist ein umfassender Nachweis, der gesamthaft alle Punkte berücksichtigt, noch nicht in einer LZA geführt worden, und daher lässt sich auf Faktenbasis kein abschließendes, pauschales Urteil hinsichtlich der allgemeinen Vorteilhaftigkeit von biobasierten Kunststoffen fällen. Es liegt jedoch der Schluss nahe, dass sich die ökologischen Auswirkungen lediglich verschieben und kein Umweltnutzen existiert. (UBA, 2017)
Eine mögliche Lösung, den künftigen Flächenbedarf zum Schutz der Biodiversität möglichst gering zu halten und nicht in Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion zu geraten, wäre aber, die Rohstoffe aus agrarischen Nebenprodukten oder Abfällen herzustellen. Ein Beispiel ist Tallöl, welches wie Lignin aus der Schwarzlauge gewonnen wird, einem Abfallprodukt der Zellstoffindustrie (FNR).

Biologisch abbaubare Kunststoffe (BAK):

Der andere Teil der Biokunststoffe mit einem Anteil von 55,5%  sind BAK. Polylactide (PLA, Rohstoffquelle Zucker) und Stärkemischungen haben hier den größten Anteil.
Als „biologisch abbaubar“ dürfen sich Produkte bezeichnen, die ein Label nach dem EU Standard CEN/TS vorweisen. In Europa gibt es zwei Organisationen, TÜV Austria Belgium und DIN CERTCO der TÜV Rheinland, die diese Labels anbieten. Wie bereits erwähnt, müssen BAK nicht zwingend zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen.  DIN CERTCO weist biobasierte Anteile von 20% bis 85% aus. Hinzu kommen Additive und fossile Co-Polymere. Und genau das kann problematisch werden, wenn es durch die Zersetzung der Additive zum Eintrag von Kunststofffragmenten in die Umwelt und zur Bildung von Mikroplastik in Böden und Gewässern kommt.

Die Auswirkungen von Mikroplastik werden weder in einer Vorschrift auf EU- oder Staatenebene berücksichtigt, noch wird versucht, die Auswirkungen zu verringern. (Eunomia Report 07/2020 ).  Zurzeit sind Verunreinigungen von weniger als 2 mm zulässig, und Mikroplastik ist in der Regel mit < 1mm definiert! Dies kann Folgen haben: Das Etikett „biologisch abbaubar“ mit dem aus Marketinggründen gerne geworben wird, kann falsche Signale an Verbraucher senden und das Littering, durch die Entsorgung in die Umwelt,  weiter verschärfen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, eindeutige Vorgaben zur Deklaration, welche Rohstoffe enthalten und wie sie zu entsorgen sind,  einzuführen. Da jede Verpackung in der Natur ein Problem darstellt, sollte nie mit „biologisch abbaubar“ oder „plastikfrei“ geworben werden dürfen, wenn die Produkte nicht zu 100% kompostierbar sind.
Ein weiterer Nachteil  könnte sein, dass durch das Signal “Bio“ beim Verbraucher verschiedentlich ein „mentaler Rebound-Effekt“ einsetzt. Insofern, als dass die Einsparung fossiler Kunststoffe zu einer moralischen Selbstlegitimierung von zusätzlichem Verbrauch führt.
Aber: Hierfür fehlen noch empirische Belege.

Bis auf einzelne Nischenanwendungen gilt aber, dass BAK größtenteils nicht in der Umwelt entsorgt werden dürfen. Sie unterliegen, wie jede andere Kunststoffverpackung, der Verpackungsverordnung. Das bedeutet: Aktuell ist energetische Verwertung  die einzige Option. Bestehende Recyclinganlagen sind nicht darauf ausgerichtet, BAK werkstofflich zu recyceln bzw. sortenrein zu trennen und zu verwerten. Damit gehen die wertvollen Rohstoffe für eine kreislauforientierte Nutzung leider unwiederbringlich verloren.

Kompostierbarkeit wird häufig als werbewirksamer Vorteil genannt. Kompostierbarkeit bezieht sich im Gegensatz zur biologischen Abbaubarkeit auf die spezifischen Gegebenheiten in einer Kompostieranlage. Die BAK können ihre Kompostierbarkeit mit der EU Norm EN 13432 unter Beweis stellen. Allerdings lässt diese Norm (Behandlung unter aeroben Bedingungen) eine Kompostierdauer von 90 Tagen zu. In Deutschland wird aber nur sechs bis acht Wochen kompostiert. (Eunomia Report 07/2020). Damit können - je nach Anlage - zurückbleibende Kunststofffragmente den Kompostierungsprozess beeinflussen. Zudem sollte Kompost wichtige Nährstoffe enthalten, um Böden zu versorgen (Bodenmelioration). BAK  leisten hier keinen Beitrag, und so geht dieser Rohstoff auch hier ungenutzt verloren. Das Umweltbundesamt (UBA) sieht deshalb die Förderung biologisch abbaubarer Kunststoffe, außer bei einzelnen Nischenanwendungen, als kritisch an. (UBA; 2017)

FAZIT
Durch die Substitution eines Stoffes durch einen neuen leisten wir leider noch keinen Umweltschutzbeitrag. Gegenteilige Aussagen sind zu interpretieren als öffentlichkeitswirksame Marketingmaßnahmen, um umweltbewusste Käufer zu erreichen, bei denen das Präfix „Bio“ per se als gut gilt.
Die Wahrheit sieht leider so aus: Wir als Verbraucher müssen unser Konsumverhalten nachhaltig ändern. Vermeidung muss das Primat sein, dadurch leisten wir den größten Umweltbeitrag. Anschließend gilt es, Wiederverwertung und Recycling zu unterstützen, wie es das Kreislaufwirtschaftsgesetz mit der Abfallhierarchie vorsieht.
Aber: Fossile Rohstoffe sind endlich und angesichts der Klimasituation und wachsender Weltbevölkerung  müssen nachhaltige Lösungen gefunden werden. Die Verwendung nachwachsender Ressourcen - unabhängig von der biologischen Abbaubarkeit – ist daher ein wichtiger strategischer Weg!
Die Umsetzung hat mitunter weitreichende  Änderungen für uns alle. Es ist unsere Herausforderung, die Prozesse entlang der Wertschöpfungsketten so umzubauen, dass sowohl Nachhaltigkeit, als auch Produktsicherheit und Wirtschaftlichkeit gesichert bleiben.

Sicher ist, an Kunststoff führt kein Weg vorbei. Es ist das Material der Zukunft, auch in einer Bioökonomie.

 

 

Über den Autor

"WIR HANDELN NACHHALTIG AUS ÜBERZEUGUNG!"

Maag-Geschäftsführer Ansgar Schonlau ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und hat langjährige Erfahrung in der Druck- und Verpackungsindustrie mit dem Schwerpunkt auf Flexible Verpackungen.  Er ist engagierter Verfechter der Supply-Chain-Optimierung zur Vermeidung aller Arten von Verschwendung, hat in seinem Unternehmen schon früh Lean Management eingeführt und setzt sich für die Kreislaufwirtschaft von Folienverpackungen ein.