Können Verpackungen Lebensmittelabfälle verhindern?
Kennen Sie das? Sie öffnen am Abend eine Tüte Weingummi und lassen die Reste in der geöffneten Packung liegen. Am nächsten Tag stellen Sie fest, dass Ihre Weingummis hart geworden sind und schmeißen sie in den Müll.
Oder das frische Pfund Hackfleisch von der Fleischtheke, das Sie gestern in den Kühlschrank gelegt haben, hat sich über Nacht grau verfärbt? Dann kommt auch dieses schnell in die Abfalltonne.
Schlimm? Ja! Aber leider Realität!
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen landen ca. ein Drittel aller Lebensmittel weltweit im Abfall oder verderben. In der EU werden rund 88 Mio. Tonnen Lebensmittel jährlich weggeworfen, mit geschätzten Kosten von 143 Mrd. Euro. Das bezieht sich zwar nicht ausschließlich auf private Haushalte, aber diese machen in Deutschland einen Großteil des sogenannten Food Waste aus.
Lebensmittelabfälle haben enorme Auswirkungen auf die Umwelt – sie sind für ca. sechs Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich – und belasten in unnötiger Weise begrenzte natürliche Ressourcen wie Böden und Wasser. Dabei ist Vieles, das auf dem Müll landet, eigentlich noch genießbar und könnte bedürftigen Menschen weltweit eine nahrhafte Mahlzeit bieten.
Entstehung von Food Waste
Laut einer Studie des Thünen-Institus im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fallen entlang der Lebensmittelversorgungskette rund 12 Mio. Tonnen Lebensmittelabfälle in Deutschland an:
- In der Landwirtschaft – nach der Ernte oder Schlachtung – entstehen 12% der Lebensmittelabfälle, z. B. beim Lagern, Sortieren oder Transportieren.
- In der Verarbeitung fallen weitere 18% Lebensmittelabfälle an, z. B. durch beschädigte oder fehlerhafte Verpackungen.
- Der Handel verursacht 4% der Lebensmittelabfälle, z. B. durch zu große Bestellmengen, die nicht verkauft werden.
- In der Gastronomie (z. B. Kantinen, Restaurants) entstehen 14% Abfälle.
- Privathaushalte sind für mehr als die Hälfte, d.h. 52%, der Lebensmittelabfälle verantwortlich – pro Person und Jahr bedeutet dies 75kg!
Für jeden Bereich gibt es Optimierungsbedarf, fokussieren wir aber mal die privaten Haushalte – was genau landet dort im Müll?
Laut BMEL sind es häufig „die frischen, für eine gesunde Ernährung wichtigen Produkte, die wir wegwerfen: Obst und Gemüse machen mit 44 Prozent fast die Hälfte unseres Lebensmittelabfalls aus. Es folgen Back- und Teigwaren, Speisereste, Milchprodukte, Getränke sowie Fisch und Fleisch.“ D.h. übersetzt, jedes achte Lebensmittel, das wir kaufen, wird weggeworfen.
Wie können wir damit umgehen? Das Thema muss zum einen in das Bewusstsein des Verbrauchers gehoben werden, zum anderen erfordert es eine intensive Aufklärungsarbeit. Das BMEL hat dafür bereits in 2019 die sogenannte „Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ formuliert, mit dem Ziel, diese in Deutschland pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene bis 2030 zu halbieren.
Auf dem Portal „www.zugutfuerdietonne.de“ hat das Ministerium „10 goldene Regeln“ veröffentlicht, die sich hauptsächlich mit dem Einkaufs- und Lagerungsverhalten beschäftigen. So wird empfohlen, Einkäufe genau zu planen, Packungsgrößen zu beachten, bewusst auszuwählen, die Lebensmittel richtig zu kühlen und zu lagern und das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) zu beachten.
Viele weitere, sogenannte To-good-to-go-Initiativen beschäftigen sich mit der Thematik, wie Lebensmittel als Nahrung erhalten bleiben und nicht zu früh im Müll landen.
Betrachten wir die Lebensmittelabfälle aus privaten Haushalten: Frische Lebensmittel wie Gemüse und Obst, Backwaren, aber auch Fleisch, Wurst und Käse, sind schnell verderblich. Unverpackt verlieren sie schnell ihre Frische und landen damit auch schnell in der Mülltonne.
Viele Verbraucher stufen Kunststoffverpackungen generell als kritisch ein – allerdings können diese durch genau auf die Inhalte abgestimmte Eigenschaften dazu beitragen, das MHD eines Lebensmittels entscheidend zu verlängern. Hier nur einige Beispiele:
- Hackfleisch: von 3 Tagen bis zu 20 Tagen
- Blockkäse: von 190 Tagen bis zu 280 Tage
- Brokkoli: von 6 bis zu 20 Tagen
Verpackungen können mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet werden, die das verpackte Lebensmittel schützen. So können Sauerstoff-Barrieren eingebaut, Feuchtigkeit reguliert, Aromen geschützt, Reifungsprozesse gestoppt und das Wachstum von Keimen reduziert werden.
Erinnern Sie sich an die Diskussion rund um die eingepackte Salatgurke? Hier stellte der Handel schnell fest, dass ganze Ladungen unverpackter Salatgurken schon beim Transport verdarben. Auch im Supermarkt spürte der Verbraucher, dass die Salatgurke nicht mehr so frisch war wie vorher. Verpackte Gurken halten im Vergleich zur unverpackten Ware doppelt so lang:
„Die Folie verdoppelt die Haltbarkeit der Salatgurke
Das liebste Feindbild der Verpackungsgegner ist jedoch die mit Plastik ummantelte Salatgurke, (…) Im ersten Moment erscheint es durchaus skurril: Ein Lebensmittel, das durch seine Außenhaut eine natürliche Verpackung mitbringt, wird in Folie geschweißt. Im Fall der Salatgurke ist das jedoch sinnvoll: Sie schützt das Produkt vor dem frühzeitigen Verderben. Gerade Gurken und Brokkoli, die zum Zeitpunkt der Ernte noch eine aktive Zellatmung besitzen, würden ohne eine angemessene Verpackung extrem schnell viel Wasser verlieren. Die Gurke wird außerdem eingeschweißt, weil nur unter einer entsprechenden Folie genau die richtige Atmosphäre erzeugt wird, welche die Gurke länger frisch hält. Ihre Haltbarkeit wird durch die Verpackung in etwa verdoppelt.“ (aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung).
Sinnvolle Verpackungen bieten neben der Erhaltung des Produktes weitere Vorteile: Eine wiederverschließbare Verpackung lässt eine Portionierung zu bei gleichzeitigem Produktschutz.
Verpackungen dienen auch der Kommunikation: So vermittelt die Verpackung die Herkunft des Lebensmittels, das Abpackungsdatum sowie das MHD. Auch damit wird verhindert, dass Nahrungsmittel zu früh im Müll landen.
Zu Corona-Zeiten steht natürlich auch die Sicherheit und Hygiene im Mittelpunkt für den Verbraucher. Verpackungen schützen die Ware generell vor Verunreinigung oder vor krankheitserregenden Keimen.
Bevor Verpackungen für Lebensmittel also grundsätzlich verteufelt werden, sollten ihre Vorteile – insbesondere bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen – abgewogen werden. So schützen wir nicht nur unser Klima durch weniger Emissionen, sondern helfen auch, wertvolle Nahrung für uns Menschen zu erhalten.
Quellen:
https://www.thuenen.de/de/infothek/lebensmittelabfaelle-baseline-2015-veroeffentlicht/
https://www.neue-verpackung.de/54597/flexible-verpackungen-vermeiden-lebensmittelverschwendung/
https://www.lebensmittelwertschaetzen.de/
https://www.packagingstrategies.com/articles/89184-the-future-of-packaging-is-flexible
Super ausführlich
Total spannender Beitrag! Es ist in der Tat so, dass einige Verpackungsmaterialien bestimmtes Obst und/oder Gemüse schützen können. Sehr interessantes und auch immer wieder kontroverses Thema. Danke für den ausführlichen BEitrag. VG!
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